Aufsteigen vom Boden aus?

Aufsteigen vom Boden aus?

Die feinsinnige Welt der Pferdebiomechanik hat in den letzten Jahren bemerkenswerte Fortschritte gemacht, insbesondere im Bereich der Reiter-Pferd-Interaktion. Ein faszinierendes Beispiel für solche Fortschritte ist eine Studie, die von den Experten bei Centaur Biomechanics in Großbritannien durchgeführt wurde. 

Diese Studie hat sich eingehend mit den biomechanischen Auswirkungen befasst, die entstehen, wenn ein Reiter vom Boden aus in den Sattel steigt. Mit Hilfe modernster Technologie, einschließlich einer High-Speed-Kamera, die Bewegungen in Zeitlupe einfängt, konnten die Forscher ein detailliertes Bild dieser alltäglichen Handlung zeichnen und ihre Auswirkungen auf das Pferd analysieren.

Das besagte Video, das lediglich 59 Sekunden lang ist, wird ab der 27. Sekunde besonders aufschlussreich. In diesem Moment erlebt der Zuschauer fast eine Art Spannung, begleitet von dem inneren Ruf: „Mein Gott, schwing doch endlich dein Bein rüber!“ Diese Reaktion unterstreicht die Intensität des Moments und die offensichtliche Belastung, die das Pferd in dieser kurzen Zeitspanne erfährt.

Die Studie von Centaur Biomechanics hat erneut bestätigt, was viele in der Reitsportgemeinschaft bereits vermutet haben: Das traditionelle Aufsteigen vom Boden aus ist für das Pferd alles andere als angenehm. Durch den Einsatz von Druckplatten konnte das Team den Druck bzw. die Kraft messen, die beim Aufsteigen auf diese Weise entsteht. Die Ergebnisse waren eindeutig und besorgniserregend. 

Das Aufsteigen in der traditionellen Manier erzeugt auf der rechten Seite des Sattels einen Druck, der dem entspricht, was das Pferd nach einem Sprung über ein 1,40 Meter hohes Hindernis erlebt. Zum Vergleich: Die Kraft, die auf die vorderen Gliedmaßen eines Pferdes bei der Landung nach einem Sprung über ein „nur“ 1,30 Meter hohes Hindernis wirkt, beträgt das 2,6-fache seines Körpergewichts.

Diese Erkenntnisse werfen ein neues Licht auf die physischen Anforderungen, die an Pferde gestellt werden, selbst bei scheinbar einfachen Aktionen wie dem Aufsteigen. Es zeigt, dass die Belastung, die dabei auf das Pferd ausgeübt wird, alles andere als trivial ist. 

Besonders interessant ist dabei der Hinweis, dass die Größe des Reiters im Verhältnis zur Größe des Pferdes eine Rolle spielt: Je kleiner der Reiter im Vergleich zum Pferd ist, desto größer ist der Druck, der durch das direkte Aufsteigen vom Boden ausgeübt wird. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, die physische Dynamik zwischen Reiter und Pferd zu berücksichtigen, um das Wohlbefinden des Pferdes zu gewährleisten.

Angesichts dieser Erkenntnisse ist es offensichtlich, dass die Reitsportgemeinschaft umdenken muss. Die Verwendung einer Aufsteighilfe, wie beispielsweise ein einfacher, zweistufiger Tritt, den wir empfehlen, kann einen signifikanten Unterschied machen. 

Diese Hilfsmittel reduzieren nicht nur die Belastung für das Pferd erheblich, sondern fördern auch eine sicherere und gesündere Interaktion zwischen Pferd und Reiter. Es geht hierbei nicht nur um den Komfort des Pferdes, sondern auch um die Förderung einer langfristigen Gesundheit und Leistungsfähigkeit.

Diese Studie und ihre Ergebnisse sind ein wichtiger Weckruf für alle, die im Reitsport tätig sind. Sie betonen die Bedeutung von bewussten und überlegten Handlungen im Umgang mit unseren Pferden. Das Wohl unserer Pferde sollte immer im Vordergrund stehen, und es ist unsere Verantwortung, Praktiken zu überdenken und anzupassen, die sich negativ auf ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden auswirken könnten.

In einer Zeit, in der die Wissenschaft uns tiefere Einblicke in die Bedürfnisse und das Wohlergehen unserer tierischen Gefährten gibt, ist es entscheidend, dass wir diese Erkenntnisse annehmen und in unsere täglichen Routinen integrieren. 

Die Verwendung einer Aufsteighilfe ist ein kleiner, aber bedeutender Schritt in die richtige Richtung. Es ist eine einfache Anpassung, die eine große Wirkung hat, indem sie das Risiko von Verletzungen und langfristigen Schäden für das Pferd minimiert und gleichzeitig eine positivere und engere Beziehung zwischen Pferd und Reiter fördert.

Letztendlich ist es die Kombination aus Respekt, Fürsorge und wissenschaftlich fundiertem Verständnis, die den Weg zu einer verantwortungsvollen und ethischen Reitkultur ebnet. Indem wir uns für das Wohl unserer Pferde einsetzen und stets nach Wegen suchen, ihre Lebensqualität zu verbessern, ehren wir die tiefe Verbindung, die zwischen Mensch und Pferd besteht. 

Die Studie von Centaur Biomechanics ist ein leuchtendes Beispiel dafür, wie wissenschaftliche Forschung praktische Lösungen für langjährige Herausforderungen bieten kann, und sie sollte als Inspiration für uns alle dienen, die wir das Privileg haben, mit diesen außergewöhnlichen Tieren zu arbeiten und zu leben.

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