Praxis-Ideen für richtiges Longieren

Longieren - aber Richtig (Praxis Ideen)
Fürs Longieren wird nur wenig benötigt.

Nachdem wir uns in diesem Beitrag über die korrekte Ausrüstung für das Longieren mit unserem Pferd auseinandergesetzt haben, schauen wir uns jetzt an, wie das Longieren in der Praxis ausschauen kann.

Besonders schön wäre es übrigens, wenn das „Bodenpersonal“ (also Sie) nicht bei den Übungen auf dem Fleck stehen bleibt, sondern mit dem Pferd mitgeht. So bekommt dann nicht nur das Wort „Pferdesport“ eine völlig neue Bedeutung, Sie tun auch etwas für die Fitness.

Dazu kommt, wie schon kurz in dem vorherigen Beitrag erwähnt, dass ein „im Kreis schleudern“ des Pferdes überhaupt nichts bringt. Es wird keine fehlende Muskulatur aufgebaut, es gibt keine „Kopfarbeit“ – und ist extrem langweilig für Pferd und Reiter.

Beim korrekten Longieren (oder sgn. Bodenarbeit) aber können wir mehrere Ziele mit einer Einheit bearbeiten. Muskelaufbau, Kopfarbeit und Spaß müssen sich nicht ausschließen.

So gibt es zwar Übungen für den Körper oder den Kopf, aber je nach Zustand bzw. Ausbildungsstand des Pferdes kann man diese auch kombinieren und den Schwerpunkt der Übungen hin- und her schieben.

Longieren für den „Körper“

Unsere Dauerbrenner für Übungen an der Longe sind Pferde mit einer ausgeprägten natürlichen Schiefe oder mit Muskeldefiziten im Bereich Trapezmuskel und/oder Rückenbereich.

Übrigens fehlt den meisten Pferden mit „ausgeprägtem Widerrist“ einfach Muskelmasse, da sie gar nicht oder verkehrt trainiert werden.

Das Zauberwort hierfür ist „Equikinetic“. Diese Longier-Technik basiert auf der sgn. Quadratvolte und wurde von Michael Geitner erweitert und in ein Regelwerk gepackt. Wenn Sie davon noch nichts gehört haben – es handelt sich um die blau/gelben Stangen, die auf Ihrem Hof liegen und die viel zu wenig genutzt werden.

Auf Einzelheiten und Wirkung der Equikinetic sind wir auf unserem Blog schon hier und hier eingegangen. YouTube ist aber auch noch übervoll mit Tipps und Tricks zu diesem Thema. Ferner gibt es bestimmt auch in Ihrer Nähe einen zertifizierten Equikinetic Trainer, der Ihnen gerne weiterhilft.

Wichtig ist, dass bei dieser Technik sämtliche Muskeln des Pferdes trainiert werden – und das man es regelmäßig macht.

Das bedeutet: Um Muskeln aufzubauen 3x die Woche, um den Zustand des Pferdes zu halten 1-2x die Woche.

Außerdem steht natürlich nirgends in Stein gemeißelt, dass man die Blau/Gelb-Stangen auch nicht für andere Übungen verwenden kann. Abwechselung ist so wichtig – und hier fängt die „Kopfarbeit“ für Ihr Pferd an.

Grundidee der Equikinetic ist die Quadratvolte

Longieren für den „Geist“

Ein Pferd mit Kopfarbeit zu versorgen ist relativ simpel, denn die meisten Pferde unternehmen gerne etwas Neues mit ihrem Menschen. Außerdem ist es als Fluchttier darauf angewiesen, jeden Gegenstand und jede Situation auf Gefahr (oder Ungefährlich) zu untersuchen und abspeichern.

Fakt: Neben dem Elefanten verfügt das Pferd über das beste Gedächtnis im Tierreich. Jede momentane Situation wird mit bereits Erlebtem abgeglichen und das Verhalten dementsprechend angepasst.

Dieses „Abspeichern“ geschieht übrigen für beide Gehirnhälften getrennt! So ist es völlig normal, dass unser Pferd auf dem Hinweg einen Gegenstand am Wegesrand akzeptiert – um dann auf dem Rückweg (andere Gehirnhälfte!) unter Umständen komplett die Fassung zu verlieren.

In dem Blau-Gelb Programm von Michael Geitner läuft diese Thematik unter „Dual Aktivierung“ und soll mit den verschiedenfarbigen Stangen erreicht werden. Sie können die Übung für Ihr Pferd aber auch anders gestalten. Z.B. tauschen Sie doch einfach mal die Stangen gegen andere Gegenstände aus.

Eine Reihe „Hütchen“ wie im Video oder Anderes können Ihr Pferd schon total aus der Fassung bringen. Oder Sie legen ein Hindernis in eine Biegung – schon muss nachgedacht werden. Sie können aber auch verschiedenste Gegenstände in der Halle / auf dem Platz verstreuen und dann vom Pferd untersuchen lassen. (Foto weiter unten im Beitrag)

Ideal ist es, wenn sich Ihr Pferd an der Longe über die Hindernisse schicken lässt. Wenn dies nicht der Fall ist, dann Schritt für Schritt üben! Natürlich verzichten wir dabei auf große Geschwindigkeiten, es soll sich ja keiner verletzen.

Equikinetic einmal anders. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Körper & Geist gleichzeitig trainieren

So schlagen Sie mehrere Fliegen mit einer Klappe: Ihr Pferd tut etwas für seinen Bewegungsapparat (und Sie auch), gleichzeitig steigt durch die Kopfarbeit der Spaßfaktor.

Denn endlich macht die Arbeit für das Pferd Sinn! Da liegen Hindernisse, um die man herumlaufen soll. Und es lernt lauter neue Dinge kennen. Wie wichtig dies sein kann, um Ihrem Pferd im Alltag oder auf dem Ritt ins Gelände zu mehr Gelassenheit zu verhelfen, können Sie unter Umständen auf dem nächsten Ritt erleben.

Aber es wird nicht nur Muskeln und Hirn trainiert. Wie erwähnt, wird die Psyche des Pferdes gestärkt und(!) Pferd und Reiter verbessern ihre Kommunikation. Das Pferd lernt bei den verschiedenen Gegenständen, die es kennenlernt, dass es dem Reiter vertrauen kann, wenn der es durch den unbekannten Parcours schickt.

Mal ehrlich: Wie wollen Sie im Gelände reiten, wenn Ihr Pferd Ihnen noch nicht einmal am Boden vertraut? Nur so, und nicht anders, wird eine Partnerschaft mit dem Pferd aufgebaut.

Variation: Handwechsel und höhergelegte Hindernis-Stange.
Diese kleinen Dinge genügen schon…

Longieren - aber Richtig (Praxis Ideen)
Nico im „Nudelsalat“

Und so sollten Sie vorgehen:

1.) Fangen Sie klein an.
Sie müssen nicht gleich das ganze Feuerwerk an unbekannten Gegenständen entzünden. Sie können z.B. für eine erste Einheit einfach zwei Gassen legen und so mit der Equikinetic beginnen.

2.) Pferde brauchen ihre Zeit mit neuen Situationen
Erwarten Sie also nicht, dass Sie Ihr Pferd gleich durch den Parcours schicken können. Gehen Sie die ersten Runden vorweg! So beweisen Sie dem Pferd, dass die Situation völlig ungefährlich ist – und das Sie von beiden der Tapferere, Mutigere und Schlauere sind.

Denn Sie haben den Durchblick! Ein Pferd begreift diesen Umstand sehr schnell.

3.) Langsam ist das neue Schnell
Erst die Situation gemeinsam anschauen, dann die Aufgabe auf einer Hand im Schritt sauber lösen. Dabei auf deutliche Signale mit Hand und Stimme achten. Die Aufgabe zum Abschluss 2-3-mal sauber durchführen. Anschließend eine große Runde zur Entspannung um den Platz führen.

Nun die gleiche Aufgabe auf der anderen Hand erarbeiten. Alles erst im Schritt – und wenn dann noch Kapazitäten da sind, kann man es auch im Trab probieren. Aber bitte nicht übertreiben mit der Arbeit!

Und nicht vergessen: Jeden gutgemachten Fortschritt ausgiebig loben.

4.) Behalten Sie die Uhr im Auge
Stundenlanges Longieren ist Out.

Rechnen Sie für eine reine Equikinetic-Einheit für den Muskelaufbau mit ca. 15 Minuten Arbeit.

Holen Sie sich eine Timer-App aufs Handy und trainieren Sie 1,5 Minuten auf der einen Hand, dann 30 Sekunden Pause, dann 1,5 Minuten auf der anderen Hand. Wieder Pause.

Am Anfang im Schritt zum Aufwärmen – anschließend im Trab.

Wichtig: Am nächsten Tag ist Erholung angesagt. Leichtes Schritt/Trab-Reiten ist erlaubt, aber „Arbeit“ ist für die Muskelentwicklung nicht förderlich.

Bei Kopfarbeit rechnen wir zwischen 30-45 Minuten, wobei sich in der Zeit auch die Aufgabenstellung ändern sollte. Z.B. können Gassen enger gelegt oder Hindernisse hinzugefügt werden.

5.) Pausen, Loben – und mal kuscheln
Bei der Kopfarbeit sind diese drei Dinge besonders wichtig. Ihr Pferd wird es Ihnen danken.

6.) Nicht den „Sack zumachen“
Wenn es besonders gut läuft, dann… hören Sie am besten auf. Der Mensch ist immer bestrebt bei Erfolg gleich die nächste Stufe in Angriff zu nehmen. Bei Pferden ist dies keine gute Idee.

Viel besser ist es, wenn Sie mit einem besonders positiven Erlebnis die Arbeit beenden. Das gibt Ihnen und Ihrem Pferd ein gutes Gefühl – und man geht mit Freude am übernächsten Tag in eine neue Runde.

Longieren - aber Richtig (Praxis Ideen)
Kein Tabu: Ausgiebiges Loben bei der Arbeit

Mit Gewalt erreicht man gar nichts

Ziel sollte es sein, sein Pferd mit Stimme und Handzeichen zu lenken. Dies ist natürlich ein Prozess, der gemeinsam erarbeitet werden muss und nicht von heute auf morgen funktioniert.

Obwohl dies eigentlich jedem Reiter klar sein sollte, gibt es immer wieder Dinge, die bei der Bodenarbeit nichts verloren haben – wie z.B. der „offensive“ Einsatz einer Peitsche.

Natürlich kann es sein, dass Ihr Pferd einfach keine Lust hat und lieber bei den Kumpels auf der Weide wäre. Weigert es sich mit Ihnen zu arbeiten indem es einfach steht und keine Schritt nach vorne macht, dann ist dies aber dem Umstand geschuldet, dass Ihre Kommunikation mit dem Pferd überhaupt nicht vorhanden ist.

Jeder Einsatz von „Hilfemitteln“ in solch einer Situation will genau überlegt sein. Eine Longier-Peitsche dient lediglich als Verlängerung Ihres Armes um so Ihrem Pferd deutlichere Zeichen geben zu können. Ein Schlagen oder „Knallen“ damit zerstört mehr in der Pferde/Menschen-Beziehung als das es Ihnen weiterhilft.

Zwang und Gewalt bringen bei Pferden nur vordergründig schnelle Ergebnisse. Streben Sie allerdings an, dass Ihr Pferd für Sie im wahrsten Sinne des Wortes durchs Feuer geht, dann hilft nur das blinde Vertrauen des Pferdes in Ihre Beurteilung der Lage. Und dieses Vertrauen muss man sich erwerben.

Wer das nicht begreift hat in der Pferdewelt eigentlich nichts verloren.

Weitere Links

Auf unserer Webseite haben wir uns schon mehrfach mit dem Themen Bodenarbeit, Equikinetic und Dual-Aktivierung auseinandergesetzt. Hier finden Sie die entsprechenden Beiträge:

Equikinetic & Dualaktivierung (13. März 2017)

Equikinetic – Und es wirkt doch! (31. Mai 2021)

Praxis-Ideen für richtiges Longieren

Für mehr Ideen und Informationen empfehlen wir Ihnen außerdem:

Geitners Bodenarbeits-Kit:
Die besten 30 Übungen mit Video-Clips

Dieses Bodenarbeits-Kit enthält die besten 30 Übungen aus den erfolgreichen Trainingsprogrammen von Michael Geitner. Jede der 30 Karten zeigt eine Übung samt Skizze und Erläuterung. Dazu gibt es Video-Clips zu allen Übungen, die mit einem QR-Code abrufbar sind.

Herausgeber: Müller Rüschlikon; 2. Edition (12/2021)
Taschenbuch: 32 Seiten
Preis: 19,95 €

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Praxis-Ideen für richtiges Longieren Praxis-Ideen für richtiges Longieren Praxis-Ideen für richtiges Longieren Praxis-Ideen für richtiges Longieren Praxis-Ideen für richtiges Longieren Praxis-Ideen für richtiges Longieren Praxis-Ideen für richtiges Longieren Praxis-Ideen für richtiges Longieren Praxis-Ideen für richtiges Longieren Praxis-Ideen für richtiges Longieren Praxis-Ideen für richtiges Longieren Praxis-Ideen für richtiges Longieren Praxis-Ideen für richtiges Longieren Praxis-Ideen für richtiges Longieren Praxis-Ideen für richtiges Longieren