Anforderungen an einen passenden Sattel

Anforderungen an einen passenden Sattel
Susanne Sieg auf Marques (Andalusier)

Zuviel Auswahl, zu wenig gute Beratung

Ein heiß umstrittenes und heikles Thema. Dennoch möchte ich es heute wagen, mich diesem zu widmen und hoffe auf aufgeschlossene, interessierte LeserInnen mit dem Mut zum nötigen Umdenken.

Den erhöhten Diskussionsbedarf gibt es zwangsläufig dadurch, dass es so viele verschiedene Arten von Sätteln gibt.

Einen Schwerpunkt der heutigen Meinungsverschiedenheiten stellt oftmals der Sattelbaum dar. Soll er nun flexibel, aus Holz, aus Poly oder gar überhaupt nicht vorhanden sein?

Leider gibt es heutzutage so viele Angebote, dass es für den Pferdebesitzer richtig schwierig wird. Der Trend geht hin zur maximalen Flexibilität und bestem Komfort für Pferd und Reiter. Verarbeitet werden die tollsten Materialien, die Sättel werden optisch richtige Hingucker und alle sind begeistert. Schließlich möchte man als Pferdebesitzer ja nur das Beste für sein geliebtes Tier! Da hören sich die heute gängigen Verkaufsargumente der Hersteller einfach nur traumhaft an.

Aber was steckt dahinter?

Man bedenke, dass es den meisten Herstellern in erster Linie darum geht, Geld mit ihren Produkten zu machen. Daher greifen sie den Unmut Vieler über einen nicht passenden Sattel nur zu gerne auf.

Da herkömmliche Sättel damals wie heute in der Regel einen Sattelbaum besitzen (dieser jedoch viel zu häufig nicht zum entsprechenden Rücken des sich unter ihm befindlichen Pferdes passt!), fing man an diese zu „verteufeln“. Sie seien ja eh zu fest und unbeweglich, der Rücken kann damit nicht frei schwingen, die Muskulatur kann sich unter so einem starren Gebilde nicht entwickeln, er drückt hier und er drückt da und sowieso kriegen die Pferde durch diese Konstruktion den so gefürchteten Satteldruck.

Sie haben Recht!

Das Problem allerdings ist nicht der Sattelbaum als solches, sondern eben der nicht zum Pferd passende Sattelbaum!

Der Baum muss in erster Linie zum Rücken des entsprechenden Pferdes passen! Er muss so angepasst sein, dass er die natürliche Oberlinie des Pferdes aufnimmt und nicht dagegen arbeitet.

Das wäre sonst ungefähr so, als würde man die Längsgewölbeunterstützung in einem menschlichen Schuh nicht unten innen sondern auf der äußeren Seite anbringen. Ich glaube kaum, dass es jemanden gibt, der mit einem solchen Schuh dauerhaft gut laufen könnte.

Man muss etwas vom Pferd verstehen,
nicht nur vom Sattel

Den Sattelbaum richtig anzupassen erfordert ein hohes Maß an anatomischem, physiologischem und biomechanischem Verständnis. Da liegt jedoch häufig auch das große Problem! Viele Sattler kommen als „Quereinsteiger“ zum Pferdesattel. Es nützt aber herzlich wenig, wenn man „nur“ etwas von seinem HANDWERK als Sattler versteht. Viel entscheidender ist es in der Sattelherstellung, dass man auch was vom PFERD versteht!

Oftmals führt dieses Unwissen dann dazu, dass der Sattel zwar aus Sattlersicht hoch funktionell hergestellt ist, jedoch aus Sicht der Anforderungen eines Pferderückens genau das Gegenteil der Fall ist.

Aber welche Aspekte sind nun aus „Pferde-Sicht“ wichtig für einen passenden Sattel? Denn darüber sind sich ja eigentlich alle einig: ein Sattel muss passen um das Pferd gesund zu erhalten.

Auch das Pferd wünscht sich einen „gemütlichen“ Sattel. Dazu ist es sehr wichtig, dass sich in den Sattelkissen keine Knötchen und/oder harte Falten bilden. Diese führen unweigerlich zu schmerzhaften Druckstellen. Wer schon mal eine Blase am Fuss hatte, von einem Socken mit zu dicker Naht, wird wissen wovon ich rede.

Das Gleiche gilt für den Sattelgurt. Er sollte ebenfalls glatt, sauber und ohne Risse sein.

Zum weiteren Komfort gehört auch, dass die Sattelkissen eine breite Auflagefläche haben und eine Winkelung aufweisen, die der Oberlinie des Rückens entspricht. Faustregel: zwischen den Kissen sollte ein Wirbelsäulenkanal frei sein, in den man bequem ca. vier Finger nebeneinander platzieren kann.

Abgesehen vom pferdischen Komfort gibt es auch Anforderungen aus biomechanischer Sicht. Diese sind besonders wichtig, da sie erfüllt sein müssen, um das Tier gesund zu erhalten! Dieser Bereich ist der Umstrittenste. Aus meiner Sicht heraus gibt es hierbei aber eigentlich sehr wenig Toleranzbereiche.

Der Sattel muss in Stand und Bewegung zur Biomechanik des Pferdes passen

Gucken wir uns zuerst den SCHWERPUNKT des Pferdes an. Dieser befindet sich immer ungefähr mittig im Brustkorb. Dabei ist es egal, ob es sich um ein großes, kleines, dickes oder dünnes Pferd handelt. Auch in der Bewegung ändert sich nicht viel daran. Zu dieser Aussage gehe ich von einem korrekt vorwärts-abwärts gerittenen Pferd aus.

Kleine Abweichungen kann es geben, wenn ein Pferd stark überbaut ist oder mit sehr hoher Halshaltung läuft (oft gerade WEIL der Sattel nicht im natürlichen Schwerpunkt liegt sondern zu weit hinten; das Pferd kompensiert die schlechte Sattellage dann).

Zieht man nun eine gerade Linie vom Schwerpunkt aus nach oben, landet man im Bereich des 12. Brustwirbels. Dieser befindet sich kurz hinter dem Widerrist! Um das Pferd nicht aus dem Gleichgewicht zu bringen, sollte der Sattel genau an dieser Stelle ebenfalls seinen tiefsten Punkt haben. Das ist mit das Wichtigste aus biomechanischer Sicht! Denn nur wenn der Reiter direkt über dem Schwerpunkt des Pferdes sitzt, kann es diesen am besten „er“tragen.

Sitzt er dahinter (wie leider meistens), kommt es über kurz oder lang zu schmerzhaften Fehlspannungen in der Muskulatur, Muskelabbau, Statikproblemen (Senkrücken!) sowie allen möglichen reiterlichen Problemen wie Schwierigkeiten beim Takt, Losgelassenheit, Biegung, Anlehnung usw. Das Pferd hat in solchen Fällen immer mehr damit zu tun, irgendwie klar zu kommen. Es muss sich unter anderem darauf konzentrieren, im Gleichgewicht zu bleiben (oftmals durch eine veränderte Halshaltung, Anlehnung, veränderten Raumgriff in den Gangarten) und es ist möglicherweise abgelenkt durch Rückenschmerzen, da das Reitergewicht an einer statisch ungünstigen Stelle sitzt. Auch der Gurt (insbesondere die Gurtstrippen!) und die Steigbügel verlaufen bestenfalls entlang der Schwerpunktlinie des Pferdes.

Anforderungen an einen passenden Sattel
Nieke Schmidt auf Kim (Highland Pony)

Pferde sind eigentlich nicht dazu gemacht, Gewicht auf dem Rücken zu tragen

Ihr Rücken ist wie eine Hängebrücke konzipiert, die zwischen Vor-und Hinterhand aufgehängt ist. Um den Reiter trotzdem tragen zu können, müssen die Bauch- und Rückenmuskeln kräftig sein. Dazu muss es in einer guten Vorwärts-abwärts Haltung geritten werden, da sich in dieser Position zum einen der Rücken hebt(Dornfortsätze entfernen sich voneinander) und sich zum anderen das lange Rücken-/Nackenband spannt. Das ist ein wichtiger Aspekt, da dieses Band in gespannter Stellung eine wichtige passiv tragende Unterstützung darstellt!

Daraus ergibt sich eine Entlastung der Muskulatur. So kann sich diese Muskulatur ihrer eigentlichen Aufgabe widmen, der Vorwärtsbewegung, und ist in der Lage, Kraft zu entwickeln.

Der Sattelbaum

Er ist und bleibt das Herzstück eines jeden Sattels! Warum ist das so wichtig?

In erster Linie, weil er die Wirbelsäule frei hält und sie somit vor dem direkten Reitergewicht schützen soll.
Diese Aufgabe kann er optimal erfüllen, wenn er eine gewisse Stabilität aufweist. Bei zu viel Flexibilität in diesem Bereich (sowie auch im Bereich des Kopfeisens) bietet der Baum auf Dauer nicht genügend Halt, um das Gewicht von der Wirbelsäule fern zu halten. Er rutscht mehr oder weniger stark auseinander. Dadurch reduziert sich die Wirbelsäulenfreiheit und die Sattelkissen geraten zu weit auf die Rippen (das stört die Atmung).

Dies gilt besonders, wenn das Kopfeisen flexibel gestaltet ist! In diesem Fall ist es sogar noch gravierender. Die Schenkel rutschen auseinander, dadurch kommt der Sattel vorne zu tief, die tiefste Stelle des Sattels sackt ebenfalls nach vorne und es landet erheblich zu viel Druck im Schulterbereich. Noch verstärkt wird dies, wenn die Steigbügel NUR am Kopfeisen befestigt sind.

Die Folgen: 

Daraus ergeben sich oftmals die gefürchteten Trapez-Atrophien (bei zu viel Druck kann ein Muskel nicht arbeiten, er wird nicht ausreichend durch den Stoffwechsel versorgt). Des Weiteren kommt es so vermehrt zu Trittunsicherheiten und stolpern in der Vorhand, da es durch den Druck zu Nervenirritationen kommen kann. Diese machen sich auch durch übermäßiges Fellzucken bei Berührung des Widerristes bemerkbar.

Des Weiteren ist der Sattelbaum dazu gedacht, das Gewicht des Reiters vernünftig zu verteilen.
Er soll ein Bindeglied zwischen Reiter und Pferd darstellen. Der gesunde Pferderücken schwingt hoch und runter. Das Becken des Reiters jedoch größtenteils vor und zurück. Hat der Sattel nun keinen stabilen Baum, werden diese Bewegungen unvorteilhaft vermischt. Der Reiter kann so keine eindeutigen Gewichtshilfen mehr geben. Es kommt besonders bei einseitigen Gewichtshilfen zu Missverständnissen.

Zu empfehlen sind insbesondere der Holz-Lederbaum und der Holz-Stahlfederbaum. Diese zeichnen sich durch eine gute Stabilität bei gleichzeitig ausreichender Flexibilität aus.

Der Holz-Lederbaum weist eine Dehnungsfuge auf, die es ermöglicht, das Kopfeisen bis zu ca. 2 cm zu verstellen. Er besitzt genügend Flexibilität, um den Bewegungsfluss nicht zu stören und genug Stabilität, um das Reitergewicht zu verteilen.

Der Holz-Stahlfederbaum (quasi der Ferrari unter den Sattelbäumen) bietet die beste Möglichkeit den Reiter zu platzieren. Hier ist es möglich, durch die Begurtung (Taillierung) des Baumes die Sitzposition des Reiters (den tiefsten Punkt ) ganz exakt und individuell zu fertigen. Er besitzt eine mittlere Elastizität und verändert seine Kammerweite kaum.

Das Kopfeisen

Hierbei ist es enorm wichtig, dass die Ortspitzen parallel zum hinteren Rand des Schulterblatts verlaufen. Zeigen sie nach vorne, wird die Schulterbeweglichkeit eingeschränkt. Zeigen sie nach hinten, gleitet der Sattel nach hinten weg und verliert somit seinen Halt. Schlimmer noch, er bohrt sich in die Schulter im Bereich des Trapezius! (…)

Zum Ende sei gesagt: der Sattel ist der wichtigste und auch leider teuerste Gegenstand der Ausrüstung.

Erschreckenderweise erfüllen ca. 90% der genutzten Sättel nicht die oben aufgeführten Kriterien, um dem Pferd keinen Schaden zuzufügen. Zuerst muss der Sattel dem Pferd passen, klar…

Aber ganz wichtig (wenn auch einfacher zu erreichen) ist natürlich auch, dass der Reiter darin so sitzen kann, dass er aufrecht über dem Schwerpunkt sitzt. Nur so ist er in der Lage, im Gleichgewicht zu bleiben und entspannt einwirken zu können!

Die wichtigsten Anzeichen, dass ein Sattel nicht passt:

starke Abwehr beim Satteln/Gurten
falsche Abzeichen in der Sattellage
Kuhlen in der Muskulatur (insbesondere beim Widerrist)
erhöhte Sensibilität auf Berührung
jegliche Art von reiterlichen Schwierigkeiten (insbesondere Anlehnung, Biegung)
Taktfehler
verminderter Raumgriff
stolpern
eine zu hohe Halshaltung

und leider noch vieles mehr…

pferd mensch osteopathie

Über Wiebke Heye

Wiebke Heye ist pferdeverrückt, seit sie denken kann und reitet seit ihrem 7. Lebensjahr. 1997 hat sie ihr Staatsexamen Human-Physiotherapie an der Loges-Schule-Nordsee in Oldenburg gemacht. 2001 schloss sich eine Fortbildung am DIPO zur Pferdeosteotherapeutin an. Außerdem hat sie 10 Jahre einen Hof mit acht Pferdeboxen für zwei eigene und sechs Pensionspferde bewirtschaftet.

Weitere Infos unter www.pferdeosteopathie-heye.de

Über diesen Artikel:
Dieser Artikel erschien im Original am 28. Dezember 2014 auf Hallo-Pferd.de. Seine Verwendung auf unserer Webseite wurde freundlicher Weise sowohl vom Verlag als auch der Autorin genehmigt. Der Artikel wurde an gekennzeichneter Stelle von uns leicht gekürzt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Anforderungen an einen passenden Sattel Anforderungen an einen passenden Sattel Anforderungen an einen passenden Sattel Anforderungen an einen passenden Sattel Anforderungen an einen passenden Sattel Anforderungen an einen passenden Sattel Anforderungen an einen passenden Sattel Anforderungen an einen passenden Sattel Anforderungen an einen passenden Sattel Anforderungen an einen passenden Sattel Anforderungen an einen passenden Sattel Anforderungen an einen passenden Sattel Anforderungen an einen passenden Sattel Anforderungen an einen passenden Sattel Anforderungen an einen passenden Sattel