Was Reiter über Sattelkissen wissen sollten

...und was ihnen selten jemand sagt

Was Reiter über Sattelkissen wissen sollten

Warum das Kissen im Sattel
eine Schlüsselrolle spielt

Ein Sattel besteht aus vielen Elementen – doch kaum eines hat so viel direkten Einfluss auf das Wohlbefinden des Pferdes wie die Sattelkissen. Sie liegen in direktem Kontakt mit dem Rücken, tragen das Reitergewicht, dämpfen Bewegungen und sollen den Druck gleichmäßig verteilen. Und genau darin liegt ihre eigentliche Aufgabe: Das Pferd soll sich unter dem Sattel frei und ungestört bewegen können – ohne Druckspitzen, ohne Härtezonen, ohne Irritationen.

Wie gut ein Sattelkissen dieser Aufgabe gerecht wird, hängt nicht nur vom Modell oder Hersteller ab, sondern vor allem von der Füllung – und vom Umgang mit ihr. Denn die Art und Weise, wie mit diesen Kissen gearbeitet wird, entscheidet maßgeblich darüber, wie lange ein Sattel seine Passform behält – und wie gut er dem Pferd tatsächlich passt.

Viele Reiter verlassen sich darauf, dass ein Sattel „anpassbar“ ist – und meinen damit oft, dass man durch Eingriffe ins Kissen (z. B. durch Nachpolstern) die Passform verändern könne. Das klingt erst einmal nach einem Vorteil. Doch ist es wirklich eine nachhaltige Lösung?

Im Folgenden werfen wir einen Blick auf die gängigen Füllmaterialien – und darauf, was wirklich dauerhaft funktioniert. Denn je besser man das Innenleben eines Sattels versteht, desto klarer wird, warum manche „Anpassungen“ langfristig mehr Schaden als Nutzen bringen.

Die drei häufigsten Kissenfüllungen
im Überblick

Wer verstehen will, warum ein Sattel liegt, wie er liegt – und warum er oft nicht lange so bleibt – sollte einen Blick ins Innere werfen. Drei Materialien dominieren die Kissenfüllung: Naturwolle, Kunstwolle und Latex. Jedes hat seine Eigenheiten – und seine Grenzen.

Naturwolle – empfindlich, pflegeintensiv und nicht besonders langlebig
Naturwolle wird seit jeher als Füllmaterial für Sattelkissen verwendet – nicht zuletzt, weil sie weich, gut formbar und relativ einfach zu verarbeiten ist. Doch gerade ihre „Natürlichkeit“ bringt in der Praxis erhebliche Nachteile mit sich.

Zum einen reagiert Naturwolle stark auf Feuchtigkeit. In vielen Reitställen herrscht ein eher kühles, feuchtes Stallklima – vor allem in Sattelkammern. Naturwolle nimmt diese Feuchtigkeit leicht auf, was sie anfällig macht für Schimmelsporen und mikrobiellen Abbau. Wird ein Sattel nicht optimal gelagert, kann sich im Inneren des Kissens ein schleichendes Problem entwickeln, das äußerlich lange unbemerkt bleibt.

Zum anderen verliert Naturwolle vergleichsweise schnell ihre Sprungkraft – also die Fähigkeit, in ihre ursprüngliche Form zurückzukehren. Das bedeutet: Die Kissen setzen sich. Die Dämpfung wird ungleichmäßig. Und wenn dann nachgestopft wird, entsteht ein neues Problem – aber das besprechen wir später noch im Detail.

Faktisch bedeutet das: Wer sich für Naturwolle entscheidet, entscheidet sich auch für einen höheren Pflegeaufwand – und in vielen Fällen für die Notwendigkeit regelmäßiger Nachbesserungen.

Kunstwolle – langlebiger, aber nicht immer ideal
Moderne Kunstwolle bringt einige Vorteile mit: Sie klumpt weniger, behält ihre Sprungkraft länger und ist unempfindlicher gegenüber Feuchtigkeit und Schimmelsporen. In hochwertiger Verarbeitung kann sie viele Jahre lang zuverlässig ihren Dienst tun – wenn niemand in das Kissen eingreift. Wir selbst nutzen einen Sattel mit Kunstwollfüllung, der seit nunmehr 20 Jahren in Gebrauch ist – ohne je geöffnet worden zu sein.

Doch auch hier gilt: Kunstwolle ist nicht gleich Kunstwolle. Werden unterschiedliche Fasern gemischt – was in der Praxis durchaus vorkommt – können sich diese verkapseln. Klumpenbildung und unregelmäßige Druckverteilung sind dann die Folge. Hier entscheidet die Qualität der Erstbefüllung – und ob der Sattel später unnötig „bearbeitet“ wird.

Latex – formstabil und wartungsfrei
Latexkissen bestehen aus festen Schaumblöcken. Nichts verrutscht, nichts verklumpt – die Form bleibt über Jahre erhalten. Diese wartungsfreie Lösung wird von vielen Premiumherstellern bevorzugt, weil sie die Kissenkonstruktion deutlich stabiler macht. Der Nachteil: Latexkissen fühlen sich etwas fester an. Wer eine wolkenweiche Polsterung sucht, wird hier nicht fündig – das Pferd dagegen wird oft dankbar sein.

Ein gängiges Missverständnis ist, dass Latexkissen nicht anpassbar seien. Gemeint ist meist, dass man sie nicht nachpolstern kann – was stimmt, aber gar nicht notwendig ist. Denn die Passform eines Sattels wird ohnehin besser über ein verstellbare Kopfeisen reguliert – nicht über die Kissenfüllung. Und genau diese Justierung ist bei vielen Latex-Sätteln ebenfalls möglich.

Ein interessanter Kompromiss: Acavallo kombiniert Latex mit einer kleinen Menge Wolle in einem separaten Innenkissen. So bleibt das Polster wartungsfrei – aber bietet etwas mehr Dämpfung. Auch hier ist keine Nacharbeit vorgesehen – und das ist durchaus so gewollt.

Warum das „Nachpolstern“
keine gute Lösung ist

Ein Begriff hält sich hartnäckig in Reiterkreisen: Der Sattel muss mal wieder nachgepolstert werden. Klingt harmlos – fast wie ein Ölwechsel. Doch was als Fürsorge erscheint, ist in Wirklichkeit ein Eingriff mit Nebenwirkungen, der langfristig oft mehr Unruhe ins System bringt als Nutzen.

Nachpolstern – oder genauer: Nachstopfen – bedeutet, dass punktuell Füllmaterial (meist Wolle) hinzugefügt oder entfernt wird. Das Ziel: den Sattel wieder „richtig“ hinzubekommen. Doch die Realität sieht meistens anders aus. Durch die Bewegung des Pferdes verteilt sich das Material im Kisseninneren neu – und das ursprüngliche Ungleichgewicht, das man beheben wollte, stellt sich erneut ein.

Dabei entsteht ein Kreislauf: Der Sattel liegt nicht korrekt → es wird nachgestopft → das Kissen wird härter, ungleichmäßiger → das Pferd reagiert → es wird wieder gestopft. Mit jedem Eingriff verliert das Kissen an Elastizität, denn Leder dehnt sich nicht mit – die Polsterung wird unnachgiebig. Und irgendwann lässt sich schlicht nichts mehr hinzufügen. Dann kommt meist der Punkt, an dem gesagt wird: „Das Pferd hat sich verändert – wir brauchen einen neuen Sattel.“

Das mag nicht immer unredlich gemeint sein. Viele Sattler handeln nach bestem Wissen – sie haben es so gelernt, und das System funktioniert für viele Kunden scheinbar gut. Aber wenn man genauer hinsieht, zeigt sich: Das Nachpolstern ist keine nachhaltige Maßnahme zur Verbesserung der Passform. Es ist ein reparierender Eingriff an einem Teil des Sattels, der eigentlich Ruhe und Stabilität braucht.

Noch ein Aspekt: In der Werkstatt des Herstellers wird die Füllung abgewogen und symmetrisch eingebracht. Vor Ort hingegen wird häufig nach Augenmaß gearbeitet – je nach Tagesform, Werkzeug oder Erfahrungswert. So können sich ungewollte Asymmetrien einschleichen, besonders wenn Reiter oder Pferd bereits über eine natürliche Schiefe verfügen. Die Folgen für den Pferderücken können erheblich sein – selbst wenn die Absicht eine gute war.

Am Ende lohnt sich die Frage: Ist ein System sinnvoll, das regelmäßig eingegriffen werden muss, um seine Funktion zu erhalten? Oder sollte ein Sattel so gebaut und eingestellt sein, dass er in seiner Grundform stabil bleibt – auch über Monate und Jahre hinweg?

Unsere Erfahrung zeigt: Wer das Polster in Ruhe lässt und stattdessen auf ein gutsitzendes Modell mit einem verstellbaren Kopfeisen setzt, fährt langfristig besser. Für das Pferd. Für den Geldbeutel. Und für die eigene innere Ruhe.

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