Dein Pferd hat niemals Unrecht

Dein Pferd hat niemals Unrecht

Hast du schon einmal das Pferd eines Freundes geritten oder beobachtet und gedacht: „Ich wünschte, mein Pferd wäre so“?
Oder hast du schon einmal den Partner oder die Partnerin eines Freundes kennengelernt und gedacht: „Wow, was für ein toller Mensch – warum ist mein eigener Partner nicht so?“
Und hast du als Kind vielleicht von einem Elternteil gehört: „Warum kannst du nicht so sein wie dein Freund, ‘Stephanie’ oder ‘David’?“

Wenn ja, bist du nicht allein. Du gehörst zu einer großen Mehrheit von Menschen, die sich wünschen, ihr Partner – ob Mensch oder Pferd – würde sich verändern.
Hast du je versucht, einen anderen Menschen zu verändern oder sein Verhalten zu beeinflussen?
Wenn du so bist wie ich, hast du es vermutlich mehr als einmal versucht – und es hat trotzdem nie wirklich funktioniert.

Ich habe ein ganzes Leben gebraucht, um zu begreifen: Die einzige Person, die ich wirklich verändern kann, bin ich selbst.
Etwas an mir selbst zum Positiven zu verändern, ist oft anstrengend und verlangt viel Einsatz. Aber der Gewinn ist doppelt: Ich verbessere mich – und fühle mich dadurch besser. Und oft verändert sich mein Gegenüber wie durch ein Wunder ebenfalls zum Besseren.

Dieser Grundsatz gilt nicht nur für Menschen – sondern genauso für Pferde.
Ironischerweise beherzigen ihn die wenigsten Pferdebesitzer.

Das Pferd hat niemals Unrecht.

Dieser Leitsatz ist grundlegend für jedes Training – unabhängig von der Reitweise – und ein unverzichtbares Element meines Natural Horsemanship-Ansatzes.
In dem Moment, in dem man versteht, warum dieser Satz wahr ist, und beginnt, dem eigenen Pferd mit diesem Bewusstsein zu begegnen, verbessert sich die Beziehung – und das Reiten – auf dramatische Weise.

Der allergrößte Teil des Pferdeverhaltens ist durch den Instinkt zur Selbsterhaltung motiviert.
Pferde wissen, dass sie Beutetiere sind – und damit Futter für Raubtiere.
Jede ihrer Entscheidungen steht unter der Überschrift:
„Bringt mich das, was ich jetzt tue oder lasse, in Gefahr?“
Wenn es auch nur eine Wahrscheinlichkeit von 0,001 % gibt, dass ihr Verhalten sie in eine verletzliche Lage bringt, werden sie es nicht tun.

Wenn dein Pferd also deinen Wunsch verweigert (bedeutet: es tut nicht, was du willst – tut das Gegenteil – „gehorcht nicht“, „zickt rum“, „macht dicht“, „ignoriert dich“ usw.), dann liegt das fast immer an einem von vier Gründen – und alle hängen ursprünglich mit Selbsterhaltung zusammen:

1. Angst

2. Respektlosigkeit

3. Schmerz

4. Missverständnis

Hier einige Beispiele:

Angst
„Ich gehe da nicht rein! Mein Mensch nennt es einen Pferdeanhänger – für mich sieht es aus wie eine dunkle Metallhöhle mit nur einem Ausgang. Raubtiere leben in Höhlen. Da reinzugehen scheint keine gute Idee. Ich brauche Zeit und Hilfe, um sicher zu sein, dass ich darin sicher bin. Mein Mensch liebt mich – warum sollte er mich zu etwas zwingen, das sich für mich gefährlich anfühlt?“

Respektlosigkeit
„Um zu überleben, werde ich immer selbst entscheiden, was für mich richtig ist – es sei denn, ich habe einen Anführer gefunden, den ich liebe, dem ich vertraue und den ich respektiere (z. B. meine Mutter oder das Alphatier in der Herde). Ich weiß genau, wer mein Anführer ist – das zeigt sich daran, wie man mit mir umgeht. Wahre Führung basiert auf Respekt, Fürsorge und Sicherheit. Mein Anführer wird mich nie in Gefahr bringen oder mich zu etwas zwingen. Wer das nicht zeigt – ob Mensch oder Pferd – wird von mir nicht vollständig respektiert oder ernst genommen.“

Schmerz
„Wenn ich verletzt bin oder Schmerzen habe, bin ich besonders angreifbar für Raubtiere. Deshalb ist es überlebenswichtig, mich zu schonen, mich auszuruhen und zu heilen – statt etwas zu tun, das die Situation verschlimmert.“

Missverständnis
„Wenn ich nicht zu 100 % verstehe, was von mir verlangt wird, ist es sicherer, nichts zu tun. Lieber warte ich ab, bis ich sicher bin, bevor ich etwas tue, das mich verletzlich machen könnte.“

Wenn du all das nicht weißt – oder nicht lernst, dein Pferd richtig zu lesen und angemessen auf diese vier sehr unterschiedlichen Verhaltensmotive zu reagieren – wirst du deinem Pferd vermutlich die Schuld geben und es für „falsch“ halten.
Und wenn du immer dasselbe tust, wirst du auch immer dieselben Ergebnisse bekommen.

Natural Horsemanship lehrt uns, unsere Beziehung zum Pferd aus seiner Perspektive zu sehen. Und wenn wir das tun, stellen wir fest: Sein Verhalten ergibt absolut Sinn. Und unter denselben Umständen würden wir uns wahrscheinlich genauso verhalten.

Pferde sprechen kein Deutsch. Sie kommunizieren durch Körpersprache und Verhalten. Deshalb ist es völlig logisch, dass sie – wenn sie sich widersetzen – auf ihre einzige Art mitteilen:
„Wenn ich tue, was du von mir verlangst, fühlt es sich nicht sicher an. Wenn du dein Verhalten so änderst, dass ich erkenne: Es ist sicher – dann kann ich dir vertrauen. Dann respektiere ich dich. Und dann tue ich mit Freude, was du von mir möchtest.“

Natural Horsemanship vermittelt uns dieses Wissen über Pferde. Wir lernen, die Fragen unseres Pferdes zu erkennen – und ihm passende Antworten zu geben.
Wir lernen, mit unserem Pferd zu kommunizieren – in seiner Sprache. Zuerst vom Boden aus (wo es sicherer ist, falls es sich widersetzt), und dann im Sattel.

Wir wissen dann: Wenn unser Pferd nicht tut, was wir wollen, zeigt es uns:

– Es hat Angst.
– Es respektiert unsere Entscheidung (noch) nicht.
– Es hat Schmerzen.
– Oder es hat uns nicht verstanden.

All das sind logische, nachvollziehbare und respektable Reaktionen, die von uns verlangen, anders zu kommunizieren.
Sie fordern uns auf, uns zu verändern.

Wenn unser Pferd uns (noch) nicht als Anführer anerkennt, ist es unsere Aufgabe, dazuzulernen, mehr zu tun, sein Vertrauen und seinen Respekt zu gewinnen – und sein Anführer zu werden.

Dabei wachsen wir selbst. Wir werden bessere Menschen – und unser Pferd wird ein besseres Pferd.

Nicht nur hat unser Pferd niemals Unrecht –
wenn wir wirklich zuhören, entdecken wir:
Es ist unser größter Lehrer.

Tim Hayes Natural Horsemanship Trainer Author

Tim Hayes

Tim Hayes ist Experte für Pferdeverhalten und -therapie und hat sich auf Natural Horsemanship spezialisiert. Er bietet verschiedene Seminare (engl. Clinics) an, die auf seinen Büchern „Riding Home-The Power of Horses to Heal“ und „Horses, Humans, and Love“ basieren.

Hayes ist dafür bekannt, außergewöhnliche Beziehungen zwischen Pferden und Menschen zu fördern. Seine Arbeit konzentriert sich auf drei Hauptbereiche: Equine Therapy Clinics, Self-Discovery Clinics und Natural Horsemanship Clinics.

Für detailliertere Informationen können Sie seine Website hier besuchen.

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